„Geheime Geschichten für Frauen, die Saris tragen“ wirkt belebend

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Foto: Edu Lauton / Unsplash

Zur Zeit geht das Leben in alle Richtungen, finde ich. Es scheint sich so viel zu verändern, während alles irgendwie auch still steht, länger in die Zukunft zu planen ist schwer und trotzdem hat man manchmal genug von den sich ähnelnden Tagen. Zumindest geht es mir so in letzter Zeit. Da kann es helfen, wenn man ein Buch findet, das den Ernst des Lebens begreift und ihm trotzdem ein wenig von seiner Schwere nimmt. Dafür empfehle ich „Geheime Geschichten für Frauen, die Saris tragen“ von Balli Kaur Jaswal!

Worum es geht:

Seit sie ihr Jurastudium aufgegeben hat und ihr Vater gestorben ist, hängt die Londonerin Nikki, Tochter indischer Einwanderer, in der Luft. Sie jobbt im Pub und weiß noch nicht, was genau sie mit ihrem Leben anfangen möchte. Von den traditionellen Vorstellungen der Punjabi-Kultur ihrer Familie will sie sich eigentlich nicht bestimmen lassen. Aber als in ihrer Sikh-Gemeinde eine Lehrerin für kreatives Schreiben gesucht wird, sieht sie diesen Job als Chance für sich.

Auch wenn sich der Kurs, den vor allem ältere Witwen aus der Sikh-Gemeinde besuchen (also „Frauen, die Saris tragen“), ganz anders gestaltet als Nikki das beabsichtigt hat, setzt er einiges in Gang: Die Frauen beginnen, sich Geschichten zu erzählen – über ihre Sehnsüchte, Fantasien und Erfahrungen. Nicht überall ist diese Entwicklung gern gesehen und als Nikki auch noch auf den fragwürdigen Tod einer jungen Frau aus der Gemeinde aufmerksam wird, ist sie auf einmal viel tiefer ins Leben verstrickt als seit langem.

Das Besondere an diesem Buch:

Die Bandbreite an Themen und Lebensbereichen, die in diesem Buch Platz findet, ist erstaunlich. Ich habe viel Einblick in eine Kultur und einen Teil von London bekommen, den ich noch nicht kannte. Themen wie Rassismus, Sexismus und die Frage, was es heißt, eine Wahl zu haben, kommen genauso zur Sprache wie Nikkis Auseinandersetzung damit, welchen Platz Traditionen in ihrem Leben einnehmen sollen.

Bei all diesen Denkanstößen ist das Buch kurzweilig, lustig und warm. Nikkis Telefonate mit ihrer Schwester fand ich immer besonders unterhaltsam, genauso wie ich mich auf die Treffen der Frauen im Schreibkurs gefreut habe, bei denen es zuverlässig zu ziemlich lustigen und schlagfertigen Diskussionen kommt. Nicht zu vergessen, dass dann auch noch ein Krimi-Element hinzukommt, das der Geschichte nochmal einen anderen Spin gibt.

Cover: randomhouse.de

Ein guter Moment für dieses Buch:

Wenn der Ernst des Lebens überhand nimmt, ist „Geheime Geschichten für Frauen, die Saris tragen“ eine gute Wahl. Wenn man sich gerade mit schwierigen Dingen auseinandersetzen muss, greift man oft am liebsten zu einer locker-leichten Lektüre. Mir geht es aber oft so, dass ich mich in einem Buch, das die weniger leichten Seiten des Lebens komplett ausblendet, an solchen Tagen dann gar nicht wiederfinde und mir eine solche Lektüre wenig gibt. Dieser Roman aber versteht etwas vom Gefühl, in der Luft zu hängen, von Verlust und von Ungerechtigkeit. Und von dieser Basis aus findet er zu Leichtigkeit und Humor – und genau das kann man manchmal brauchen.

Auch bei Übergangsphasen im Leben, in denen einiges unklar ist, Entscheidungen anstehen oder man erstmal herausfinden muss, was man denn eigentlich will, ist dieser Roman einer, der zeigt, dass man mit solchen Gefühlen nicht allein ist. Er gönnt einem eine kleine Auszeit von all dem, bringt einen bei der Entscheidungsfindung vielleicht aber sogar weiter, weil er so viele Werte thematisiert – so kann es sein, dass du am Ende selbst klarer sagen kannst, was dir wichtig ist.

Wer bei diesem Buch in jeder Stimmung richtig ist:

  • Alle, die sich in Buchclubs wohlfühlen und ihre Freundinnen gerne in größerer Runde treffen – die Sitzungen der Sikh-Frauen im Schreibunterricht werden richtig Spaß machen!
  • Leser, die nach etwas Spannendem suchen, denen Krimis aber oft zu düster sind.
  • Alle, die selbst gerne schreiben würden – dieser Roman ist auch eine Liebeserklärung ans Geschichtenerzählen.
  • London-Liebhaber – viel Spaß im Pub, im Tempel in Southall und auf Busfahrten durch diese elektrisierende Stadt!

Wann ich zu etwas anderem greifen würde:

„Geheime Geschichten für Frauen, die Saris tragen“ ist ein sehr schwungvoll-belebendes Buch, das einen gleichzeitig zum Nachdenken bringt. Wenn du aber gerade so richtig gefesselt und gebannt werden möchtest und eine Lektüre suchst, in die du abtauchen kannst, würde ich es vielleicht eher mit Aufruhr in Oxford probieren.

Daten zum Buch:

Titel: Geheime Geschichten für Frauen, die Saris tragen
Originaltitel: Erotic Stories for Punjabi Widows
Autorin: Balli Kaur Jaswal
Übersetzerin: Stefanie Retterbush
Verlag: Goldmann
Seiten: 480
Preis: 10 €
ISBN: 978-3-442-48661-8

Eine Leseprobe und weitere Informationen findest du hier auf der Verlagswebsite von Goldmann.

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